Samstag, 13. Juni 2009

Sleepless in WinzerL.A., oder: And she learns how to fight in the ghetto

Gegen halb zehn weckte mich die Bohrmaschine irgendeines Nachbarn. Es gibt also offensichtlich doch noch Leute in meinem Wohnblock, die entweder nur fünf Stunden Schlaf brauchen oder von den nächtlichen Tragödien, die sich bis halb fünf auf meiner Etage abgespielt haben, nichts mitbekommen haben. Möglichkeit Nummer Zwei erfordert allerdings ein verdammt schlechtes Gehör, denn spätestens, als die Fensterscheibe im Gang zu Bruch ging, muss auch der letzte Hausbewohner aus seinem Tiefschlaf erwacht sein.
Gut, ich wohne im Ghetto, und da nicht irgendwo, sondern in einem Block, den meine Nachbarin mal als "den berüchtigsten in dieser Gegend" umschrieben hat. Seit ich hier wohne (Sommer 2005) wurde das Glas der Eingangstür dreimal ausgewechselt, und am Männertag musste ich dieses Jahr durch eine riesige Blutlache waten, deren fleckige Überreste immer noch auf dem Treppenabsatz zu sehen sind. Dennoch war das Wohnen, nachdem mein technobegeisterter Unternachbar endlich ausgezogen war (die vielen Anrufe beim Sicherheitsdienst haben sich irgendwann ausgezahlt), hier bisher ganz angenehm. Ich habe jetzt zwar "Funky Junkie", einen drogensüchtigen Übernachbarn, wegen dem ich bisher einmal den Sicherheitsdienst gerufen habe, aber der ist relativ harmlos verglichen mit den zwei Typen, die vor kurzem auf meiner Etage eingezogen sind. Bisher war diese das reinste Paradies: Mein rechter Nachbar ist ein absolut ruhiger, junger Mann Mitte 30 mit regelmäßigem Einkommen, meine linke Nachbarin eine redselige Dame, die aussieht wie Anfang 50, aber schon Rente bezieht, und mir immer von ihren Wellensittichen erzählt, wenn ich sie auf dem Gang treffe. Beide sind freundlich, wie auch die restlichen Etagenbewohner - allesamt ältere Menschen oder Student(inn)en. Aber das war einmal, denn nun gibt es Assi 1 und Assi 2: Der eine wohnt am rechten Ende des Hausflurs, der andere am linken.
Als ich gestern um kurz nach Mitternacht aus dem Fahrstuhl stieg, sah ich auf der rechten und linken Seite des Etagengangs jeweils zwei sturzbesoffene Typen (Assi 1 und 2 inbegriffen) und bereitete mich innerlich schon mal auf eine lange Nacht vor, oder besser gesagt: auf eine kurze! Und so war es dann auch. Ich hatte Katrin im ICQ gerade gesagt, dass ich nun mal schlafen gehe, als ich plötzlich Lärm auf dem Flur hörte. Ich warf also einen Blick durch den Türspion, konnte aber niemanden entdecken. Das Drama spielte sich offensichtlich links von meiner Wohnung ab - jedenfalls entnahm ich das der "Konversation" der zwei Typen, von denen einer am Flennen war, weil ihn Assi Nummer 1 aus seiner Wohnung raus geschmissen hatte, und der andere am Fluchen, weil die Heulsuse in ihrer Wut über den Rausschmiss offensichtlich gegen dessen Wohnungstür getreten war.
"Ich will nach Hause", heulte der mit dem Käppi, und ich dachte mir: Gut! Soll er brav nach Hause gehen; dann ist hier wenigstens endlich Ruhe. Aber er ging nicht. Und seine Wut wurde immer größer. So blieb mir, nachdem ich gegen halb drei ein ohrenbetäubendes Rumsen gehört und schon befürchtet hatte, meine Wohnungstür wäre eingetreten worden, nichts anderes übrig, als den Sicherheitsdienst zu rufen. Bis dieser mit der Polizei im Schlepptau anrückte, ging dann auch besagtes Flurfenster zu Bruch, mehrere Klingeln (inklusive meiner eigenen) wurden von der Wand gerissen und zerstört, das Gitter des Lüftungsschachts herausgerissen und ein Sicherungskasten beschädigt. Um halb fünf lag ich dann, nachdem ich von Katrin einigermaßen beruhigt worden war und die Polizei erst den Randalierer sowie kurz darauf auch noch mich zum Tathergang befragt hatte, endlich im Bett. Draußen wurde es bereits hell, die Vögel zwitscherten, und Håkan und Christian mussten bei ihrem vormittäglichen Tennismatch auf ihr Ballmädchen verzichten, das just in dem Moment, als die beiden den Parcour betraten, durch die Bohrmaschine eines Nachbarn geweckt wurde.

...putt...