Montag, 26. November 2018

Der Preis der Nostalgie. Oder: Warum ich mir manchmal wünsche, Take-That-Fan gewesen zu sein.

Es sind ein paar Jährchen ins Land gezogen seit meinem letzten Blogbeitrag. Ich glaube, inzwischen bloggt auch kaum noch jemand. Vermutlich wird Blogs bald dasselbe Schicksal drohen wie myspace. Aber da ich ja auch nicht jünger und deswegen zunehmend nostalgischer werde, dachte ich mir, ich blogge mal wieder ... wenn es die Zeit denn zulässt. Oder genauer gesagt: Wenn es der tägliche familiäre Wahnsinn denn zulässt.

"Nostalgie" ist dann auch das Thema dieses neuen, von euch mit Sicherheit heiß ersehnten und lang erwarteten Blogbeitrags. Das Problem mit lange erwarteten und heiß ersehnten Dingen ist nur: Am Ende ist man meistens enttäuscht, weil man aus irgendeinem unerklärlichen Grund davon ausgegangen ist, dass Dinge, die lange brauchen, eben auch um Längen besser sein müssen als etwas zügig und zackig Dahingeworfenes.

Musik ist dafür ein gutes Beispiel: Wer mich kennt, der weiß, dass ich in meiner frühen und mittleren Jugend eine Schwäche für eine gewisse Boygroup namens Caught In The Act hatte. Die Musik dieser englisch-niederländischen Jungscombo war (aus meiner heutigen Sicht) Kommerzschrottpop. Sicher, die ein oder andere ganz süße Popballade war dabei, und wenn ich heute "Love Is Everywhere" auf einer 90ies-Trash-Pop-Party höre, gröle ich laut mit und verspüre eine gewisse innere Fröhlichkeit. Keine Ahnung, woher die kommt. Alkohol spielt vermutlich eine entscheidende Rolle. Vielleicht ist es aber auch so eine Art Lachen über sich selbst - wie bescheuert man eigentlich war, dass man solch einen Song damals wirklich und völlig ohne Ironie gut fand. Nostalgie eben.

Wie auch immer, man blickt zurück, und da man sich (eben auch musikalisch) weiterentwickelt hat, bemerkt man irgendwann, wie "billig" das damals alles gewesen ist. Manchmal kommt dann irgendwann sogar der Punkt, an dem man es nicht mehr hören kann (nicht mal betrunken), weil es einfach zu schlecht ist. Vielleicht auch, weil man sich mit steigendem Alter mehr und mehr darüber bewusst wird, wie wenig Zeit einem noch auf dieser Erde bleibt, und man die verbleibende Zeit gern sinnvoll und "gut" nutzen möchte. Dazu gehört dann eben auch "gute" Musik.

Was aber, wenn die Lieblingsstars von damals, inzwischen auch ordentlich gealtert und nicht mehr ganz so "fresh" wie in den 90ern, sich entscheiden, wieder Musik zu machen - als Band und/oder solo? Ich für meinen Teil ging davon aus, dass das, was die Jungs von Caught In The Act nach fast zwanzig Jahren Schaffenspause nun machen, verdammt gut sein muss - schließlich hatten die auch zwanzig Jahre Zeit, um sich weiterzuentwickeln. Aber da hatte ich wohl einen Logikfehler. Oder die Weiterentwicklung lief rückwärts. Oder zumindest entgegengesetzt zu meiner. Ich muss es jetzt mal offen aussprechen: Diesen schlecht produzierten Popschrott aus der Dose kann ich mir nicht mal eine Minute lang anhören! Wer nicht weiß, wovon ich rede, sucht mal bitte kurz nach "Back For Love" und "Celebration Of Love" auf Youtube und kommentiert dann unter diesem Beitrag, nach wie vielen Sekunden er den Tab wieder geschlossen hat.

Okay, die lang erwartete Wiedervereinigung war also schon mal ein Schuss in den Ofen. Nun hatten meine Traumboys von damals aber auch Solo-Ambitionen, und ich beging - Asche auf mein Haupt - schon wieder den gleichen Logikfehler: Da war der Wunsch wohl Vater des Gedanken, dass die Herren ja zumindest solo irgendeine Weiterentwicklung zeigen könnten. Nein. Dem war nicht so. Wer Beweise braucht, klickt hierhier, hier und hier.

Warum schreibe ich das? Weil es mich ein bisschen traurig macht. Ich weiß nicht genau, warum. Eigentlich könnte es mir ja egal sein. Möglicherweise ist es einfach die Erkenntnis, dass ich wertvolle Jahre meines Lebens "vergeigelt" habe. Ich bin ja eher so der Typ "Sinn-Sucher". Aber der Sinn meiner jugendlichen Caught-In-The-Act- und speziell Lee-Baxter-Anbet-Phase will sich mir einfach nicht erschließen. Ich hatte halt irgendwie auf eine späte Erleuchtung gehofft, die nun leider ausgeblieben ist. Und insgeheim beneide ich die jungen Mädchen, die in ihrer (noch nicht ganz so weit zurückliegenden) Jugend Harry Styles angebetet haben, denn der kann solo mal deutlich mehr als mit One Direction. Oder die Take-That-Fans, die ihr Herz an Robbie Williams verschenkt hatten und sich dafür heute definitiv nicht schämen müssen. Selbst Justin Timberlake: Man mag von seiner Musik halten, was man will (ich bin überhaupt kein Fan davon), aber er hat nach 'N Sync ein eigenständiges, ernst zu nehmendes, zeitgemäßes musikalisches Profil entwickelt und es geschafft, eine Heerschar verdammt guter Produzenten um sich zu versammeln - das verdient in meinen Augen durchaus Respekt.

Doch zurück zum enttäuschenden "Comeback" von Caught In The Act: Mit 14 oder 15 war es mein größter Traum, diese Typen nur ein einziges Mal "so richtig" zu treffen. Ich habe meine Eltern (und auch den Rest der Familie) fast in den Wahnsinn getrieben, weil ich ständig auf irgendwelche Konzerte wollte und mein ganzes Zimmer mit Caught-In-The-Act-Postern tapeziert hatte (sogar die Decke!). Das ist ja wohl ein eindeutiger Beweis dafür, dass pubertierende Mädchen an schaurigster Geschmacksverirrung leiden. Ganz ehrlich? Wenn mir heute jemand anbieten würde, diese vier Typen (oder auch nur einen davon) "so richtig" zu treffen - ich würde dankend ablehnen. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich kein einziges Wort herausbekommen würde - und zwar nicht, weil ich so aufgeregt wäre, sondern weil ich einfach nicht wüsste, worüber ich mit diesen Typen reden sollte. Gleiche Wellenlänge? Weit gefehlt. Wohl eher verstimmte Wellenlängen, die aneinander vorbeifunken - und das darf auch gern so bleiben. Nostalgie hin oder her.