Donnerstag, 3. Oktober 2013

Entartungen des Kapitalismus: Wellnesshotels

Ich beginne diesen Beitrag mit einem Zitat von Rainald Grebe:

Ich sah Trümmerfrau'n mit Schokolade im Gesicht.
Unter Adenauer gab es so was nicht.
Ich stand in diesem Wellnesshotel, und ich hatte das Gefühl,
60 Jahre Frieden sind zu viel.
(aus: "Wellnesshotel" vom Rainald-Grebe-Album "1968")

Eigentlich ist mit diesem Zitat schon alles gesagt. Trotzdem möchte ich gerne noch etwas näher auf den Titel des Posts eingehen, der zugleich eine neue Serie in diesem Blog einläutet: "Entartungen des Kapitalismus" - Jetzt mag sich der ein oder andere fragen, was Wellnesshotels mit Kapitalismus zu tun haben und vor allem, warum sie (zumindest in meinen Augen) eine Entartung desselben darstellen. Ich frage zurück: Warum suchen Menschen Wellnesshotels auf? Und ich antworte: Weil sie sich erschöpft fühlen. Ich frage: Warum fühlen sie sich erschöpft? Und ich antworte: Stress auf der Arbeit, Beziehungsprobleme - das Übliche halt. Ich frage: Wie sollen Sauna, Massagen und Aromabäder Arbeitsstress- und Beziehungsprobleme lösen? Wäre es nicht besser, das Übel an der Wurzel zu packen und mit der Person, die einem das Leben schwer macht - sei es nun der Chef/die Chefin oder der Partner/die Partnerin - zu reden? Nun könnte jemand antworten: Aber genau darüber kann man im Blubberbad super nachdenken. Ich frage zurück: Kann man nicht auch einfach in der Natur darüber nachdenken - im Wald, an einem See, auf einer Wiese, am Meer? Muss man erst 100 Euro bezahlen, um in einer Meersalzgrotte, einem Wellenbecken oder einer Regenwald-Nebeldusche darüber nachdenken zu können? Wäre es nicht günstiger und v.a. stressfreier, einen spontanen Spaziergang zu machen, dabei seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und unterwegs ein paar Hopfenblüten zu ernten, um sich später daraus einen Entspannungstee zu kochen? Die Natur bietet uns alles, was wir zur Erholung und zum Abschalten brauchen. Wichtig ist aber nicht, uns selbst abzuschalten, sondern das, was uns stresst und erschöpft. Auf Teilzeit umsteigen, sich woanders bewerben, selbständig machen, eine Auszeit nehmen o.ä. können Wege sein, dem ewigen Druck der kapitalistischen Gesellschaft (zumindest eine Zeit lang) zu entkommen; ein Wellnesshotel kann das nicht, weil es selbst ein kapitalistisches Konstrukt ist, welches den Menschen, die dort arbeiten, Zeit raubt und uns das verkauft, über das wir eigentlich selbst jederzeit frei verfügen könnten, wenn wir mehr auf unser Herz hören und mehr mit der Natur im Einklang leben würden: Zeit für uns selbst und für unsere Liebsten.

1 Kommentar:

Harry hat gesagt…

So fucking true, Vero. Allervollste Zustimmung!