Montag, 9. November 2009

Gedanken zum Mauerfall

Ich sitze seit einer Woche in der Redaktion einer Kölner TV-Produktionsfirma und absolviere ein Praktikum, unbezahlt, obwohl ich dem Unternehmen durch meine Arbeit (hoffentlich) bald bares Geld liefere. Um mich herum lauter nette Menschen - aus Hannover, Bonn, Remscheid...

Letzten Mittwoch war ich mit Susanne in einem arabischen Café in der Kyffhäuser Straße, wo wir diesen superleckeren gesüßten Melissen- bzw. Pfefferminztee getrunken haben. Susanne ist aus Düsseldorf. Ich habe sie während meines ersten längeren Italienaufenthalts kurz nach dem G8-Gipfel in Genua kennen gelernt, wo wir uns ein halbes Jahr lang mit zwei Spaniern und zwei anderen deutschen Mädchen eine WG geteilt haben. Mit Susanne zusammen zu sein ist wie 365 Tage im Jahr Sonnenschein. Wenn es eine Freundschaft in meinem Leben gibt, die ich niemals missen möchte, dann diese.

Einen Tag später habe ich mich nach der Arbeit mit Tom auf ein paar Gläschen Kölsch im Stadtgarten getroffen. Tom ist in Münster aufgewachsen, auch wenn die Familie seines Vaters ursprünglich aus Mecklenburg kommt, von dort aber noch vor dem Mauerbau in den Westen geflohen ist. Er hat sich halb totgelacht, als ich ihm erzählte, dass wir "damals" besonders gute Ware nur im Exquisit bzw. Delikat kaufen konnten oder (mit Westgeld) im Intershop.

Ich spreche vier Sprachen fließend, weil meine Eltern mir mit 16 Jahren einen elfmonatigen Gastfamilienaufenthalt in den Niederlanden ermöglichten, wo ich mir von (nicht nur) einem US-Amerikaner das Herz brechen ließ, aber dafür immerhin fließend Englisch und natürlich Niederländisch lernte; und weil ich nach dem Abi insgesamt 14 Monate in Italien gewohnt und gearbeitet habe, spreche ich auch die schönste Sprache der Welt weitgehend akzentfrei.

Vor drei Jahren haben sich meine Eltern getrennt - nach über 25 Jahren Ehe, die seit der Wende jedoch nur noch eine Wochenend-Ehe war, weil mein Papa aus wirtschaftlich-finanziellen Gründen in Hannover arbeitete und jede Woche pendelte.

Mein Bruder ist seit drei Jahren verheiratet. Seine Frau ist Kubanerin. Er hat sie bei einem Studienaufenthalt in Havanna kennen gelernt. Um nach Deutschland kommen zu können, musste sie ihr fast fertiges Studium im sozialistischen Kuba abbrechen und in Berlin noch einmal völlig von vorn anfangen, da sie als Absolventin nicht aus Kuba hätte ausreisen dürfen. Sie kommt aus einem Land, das sich rühmt, die besten Ärzte der Welt auszubilden, aber wenn nicht jeden Tag jemand bei ihrer Mutter im Krankenhaus wäre, um zu überwachen, dass ihr die erforderlichen Medikamente für ihre Bindehautentzündung auch tatsächlich verabreicht werden statt auf dem Schwarzmarkt zu landen, hätte diese ihr Augenlicht wahrscheinlich längst verloren.

Ich habe die ersten Jahre meines Lebens ohne Telefon verbracht. Auch in meiner Jugend habe ich nicht viel telefoniert, weil meine Eltern noch lange nach der Wende nur ein Funktelefon besaßen, mit dem das Anrufen extrem teuer war. Ich glaube, dass das der Hauptgrund dafür ist, warum ich es auch heute noch hasse zu telefonieren.

Ich könnte sicher noch tausend andere Beispiele bringen, die zeigen, dass sowohl die DDR als auch der Mauerfall und damit die BRD mein Leben und damit auch meine Persönlichkeit in nicht unerheblichem Maße geprägt haben - im positiven wie auch negativen Sinne. Aber wenn ich dann kurz in mich gehe und an all die Menschen, Orte und Sprachen denke, die ich nur (kennen) gelernt habe, weil heute vor 20 Jahren in Berlin die Mauer fiel, dann kann ich mit Überzeugung sagen: Ohne die Wende wäre ich jetzt nicht die, die ich heute bin. Vielleicht wäre ich dennoch glücklich, aber ganz gewiss nicht wunschlos!

Sonntag, 8. November 2009

Zitat des Tages

"Jemand, der nach Köln geht und dort niemanden kennen lernt, muss gestört sein." (Katha, 07.11.2009, 23:47 Uhr)