Mittwoch, 2. Januar 2008

Willkommen im Jahr 2008! oder: Müssen wir uns Sorgen machen?

Der erste Post im neuen Jahr... Ich habe lange überlegt, was ich da schreibe. Und weil ich so lange überlegt hab, kann ich ihn erst jetzt (am 2. Januar) veröffentlichen, und nicht, wie sich das eigentlich gehört hätte, am 1. Januar. Neujahrsposts sind immer etwas schwieriger als Silvesterposts. Am 31.12. kann man einfach über das vergangene Jahr reflektieren - was es gebracht hat, wer aus deinem Leben verschwunden ist und wer neu hinzugekommen ist, ob man alles richtig gemacht hat, was schön war und was weniger schön, welche Momente man am liebsten für immer festhalten möchte, wie das Jahr angefangen hat und wie es aufhört, wie viele schmerzhafte und schmerzfreie Tage es darin gab usw. Im neuen Jahr hingegen blickt man in die Zukunft und schreibt über die Erwartungen, die man hat. Das Problem ist, dass ich keine Erwartungen habe. Ich habe eigentlich nicht mal Hoffnungen. Ich traue mich einfach nicht... aus Angst, dass sie sich nicht erfüllen könnten! Und bisher bin ich mit dieser Strategie ganz gut gefahren. Denn wenn man gar nichts erwartet, dann wird man oft positiv überrascht! Dann ist alles schön. Fast alles. Denn manchmal geschehen auch seltsame Dinge. Und dann fragt man sich: Muss ich mir deshalb Sorgen machen? Ich will das mal an ein paar Beispielen verdeutlichen:

Wenn man in der Google-Bilder-Suche das Wort "Chaotin" eingibt, dann erscheint ein Bild von mir, gleich auf der ersten Seite. Muss ich mir deshalb Sorgen machen? Ich glaube nicht.

Mein Wellensittich hat sich in seinen Cracker verliebt und flirtet ihn schon seit Tagen inbrünstig an, statt ihn zu fressen. Muss ich mir deshalb Sorgen machen? Ich glaube nicht.

Diesen Freitag werde ich Håkan etwa 10 Kilo CDs schenken. Müsst ihr euch deshalb Sorgen machen? Ich glaube nicht.

Das erste, was ich im neuen Jahr gemacht habe, war, mir mit Stephan einen Film ("Arizona Dream") anzusehen, dessen Sinn wir beide nicht verstanden haben. Muss ich mir deswegen Sorgen machen? Ich glaube nicht. (Hauptsache, Johnny Depp sieht gut aus...)

Stephan hat sich in Österreich Schweizerisches Cannabisbier gekauft, das er nun wieder in die Schweiz einführt. Muss ich mir deshalb Sorgen machen? Ich glaube nicht.

Seit Roland Kochs Äußerungen zum Überfall eines pensionierten Schuldirektors durch zwei ausländische Jugendliche in München scheint ganz Deutschland von der Vorstellung verseucht zu sein, dass die "Ausländerkriminalität" (mein persönlicher Favorit für das Unwort des Jahres!) stärker bekämpft werden müsse. Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Ich glaube schon!

Es ist traurig genug, dass man in Deutschland nicht mehr sicher über die Straße gehen kann - sei es durch Gewalt von Nazis an Äusländern oder andersherum. Sich eine Gruppe von Gewalttätern herauszupicken (die Schwächste!) und zu dämonisieren, erinnert mich stark an das 25-Punkte-Programm der NSDAP (1920). Wie hirnrissig das ist, hat die Geschichte gezeigt. Wer sagt, wir brauchen schärfere Gesetze zur Bekämpfung ausländisch-jugendlicher Gewalt, der kann genauso gut sagen: Wir brauchen schärfere Gesetze zur Bekämpfung rechter jugendlicher Gewalt. Oder: Wir brauchen schärfere Gesetze zur Bekämpfung pädophiler Gewalt. Oder: Wir brauchen schärfere Gesetze zur Bekämpfung innerfamiliärer Gewalt. Gewalt ist Gewalt, und es ist völlig egal, wer sie auf wen anwendet. Sie muss bestraft werden, und das wird sie. Die Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen ist das Grundproblem, denn durch sie erlebt ein Ausländer oder Nazi oder Alkoholiker erst Gefühle wie Verachtung, Perspektivenlosigkeit, Hass, Gewalt. Wer sich ernsthaft mit dem tatsächlichen Ausmaß und vor allem mit den Hintergründen jugendlicher Gewalt (sei es durch Ausländer oder Deutsche) auseinandersetzen will, dem empfehle ich die Lektüre dieses Artikels der Bundeszentrale für politische Bildung: Ausländerkriminalität.

Bleibt mir für 2008 nur eins zu hoffen (und in diesem Fall mache ich, was das Thema "Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen" betrifft, eine Ausnahme, auch wenn ich dann Gefahr laufe, schwer enttäuscht zu werden): dass die Menschen lernen, Minderheiten zu respektieren, Gegensätze nicht immer weiter zu verschärfen, sondern zu akzeptieren, andere Überzeugungen zu tolerieren und aufeinander zuzugehen statt sich immer weiter voneinander abzukapseln und zu entfremden, nicht immer zu generalisieren und schablonisieren, sondern zu differenzieren, Individualität nicht mit Egoismus zu verwechseln - das wünsche ich mir für 2008 und alle kommenden Jahre!

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