Sonntag, 17. Januar 2010

Auf der Suche nach dem Ausweg aus der Ausweglosigkeit

Das deutsche Sozialsystem ist ein einziger Witz, ein hochgradig trauriger noch dazu! Ich würde ja gerne darüber lachen, wenn ich nicht selbst betroffen wäre. Meine derzeitige Situation ist nämlich Folgende:
Ich habe einen Studienabschluss (und zwar einen exzellenten!), doch keiner will mich einstellen, weil mir die "nötige" Berufserfahrung fehlt. Ich muss dazu anmerken, dass ich keine Naturwissenschaft studiert habe. Sonst sähe die Lage vielleicht etwas anders aus. Aber leider Gottes bin ich Geisteswissenschaftlerin, spreche vier Sprachen fließend und noch drei weitere ein wenig stockend, aber wen interessiert das schon? Egal, wo man sich als Germanistin bewirbt - man muss mindestens ein Praktikum in dem jeweiligen spezifischen Bereich vorweisen können; sonst braucht man sich gar nicht erst zu bewerben. In jedem anderen Berufsfeld wird davon ausgegangen, dass sich neue Mitarbeiter etwa einen Monat lang "einarbeiten". Dabei beziehen sie in der Regel das volle Gehalt, da sie ja Vollzeit arbeiten, wenn auch vielleicht noch nicht ganz so effektiv - aber dafür bekommen sie ja auch ein "Einstiegsgehalt". Dem Presse-, Redaktions- und Verlagswesen sind solche Methoden fremd! Gehälter werden hier nur in Ausnahmefällen gezahlt. Wenn man Glück hat, verdient man als "freier Mitarbeiter" gerade mal so viel, dass man nicht mehr bei Mutti betteln gehen muss; und um "freier Mitarbeiter" zu werden, braucht man wenigstens fünf Jahre Berufserfahrung! Die habe ich als Absolvent natürlich nicht. Also suche ich nach Praktikumsstellen. Man sollte meinen, dass ein Monat reicht, um sich die Grundlagen eines Berufs aneignen zu können; doch kein im Medienbereich angesiedeltes Unternehmen schreibt einmonatige Praktika aus! Nein, drei bis sechs Monate sind üblich. Ich bewerbe mich also für ein dreimonatiges Praktikum, und das erste, was mir gesagt wird, ist: Das Praktikum ist unbezahlt. Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich bin drei Monate als Redakteurin in einem Unternehmen tätig, das mit meiner Arbeit bares Geld verdient, und ich bekomme dafür: Nichts! Kurze Zwischenfrage: Wie bezahle ich von Nichts eine Wohnung? Woher bekomme ich für Nichts etwas zu essen? Wie schaffe ich es, mit Nichts zu meinem Arbeitsplatz zu gelangen? Mal ganz davon abgesehen, dass ich für das unbezahlte Praktikum von meiner Heimatstadt vorübergehend in die teure Großstadt ziehen muss und somit noch doppelte Lebenshaltungskosten habe...
Gut, ich lebe als drei Monate von Nichts, und irgendwie schaffe ich das auch - mithilfe großzügiger Spenden von Eltern und Großeltern und den Ersparnissen aus dem letzten Sommerjob. Nun habe ich also drei Monate Berufserfahrung, und mein Nichts wird langsam zu Gar Nichts. Da ich irgendwie an Geld kommen muss, habe ich jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder ich gebe auf und beantrage Hartz4, oder ich versuche, meine Berufschancen weiterhin zu verbessern und bewerbe mich fleißig weiter. Doch wer denkt, nach dem dreimonatigen Praktikum winkt der Superjob, der wird jäh enttäuscht. Das einzige, was winkt, ist das nächste Praktikum - diesmal immerhin bezahlt. Schlecht bezahlt wohl gemerkt! Mit 200 bis 400 Euro im Monat kommt man nämlich auch nicht weit. Man möchte meinen, dass Vater Staat einem in solchen Situationen unter die Arme greift, doch in diesem Fall zahlt er außer einem Klacks Wohngeld, das nicht mal für ein dunkles Rattenloch reicht, (mal wieder) Nichts! Nicht mal Hartz 4, denn darauf hat man als Vollzeit-Praktikant keinen Anspruch, zumindest, wenn das Praktikum länger als einen Monat dauert; und das Thema "Länge von Praktika" hatten wir ja bereits...
Nehmen wir also an, ich wähle den Weg des geringsten Widerstands und beantrage Hartz4 - dann habe ich zumindest Etwas, aber immer noch keinen Job; und ich werde auch in zehn Jahren noch keinen Job haben, weil mich ohne fünfjährige Berufserfahrung keine Sau einstellt. Vater Staat zahlt also und zahlt und zahlt und zahlt... und ich warte und warte und warte und warte... worauf eigentlich? Auf meine Rente? Auf eine Revolution? Auf die nächste Spende von Oma und Opa?
Es ist doch Irrsinn, dass man in diesem Land mit 30 immer noch nicht für sich selbst sorgen kann, geschweige denn für eine ganze Familie! Die Politiker heulen rum, weil niemand mehr Kinder bekommt, aber sie unterstützen mit ihren dämlichen Lohn- und Sozialhilferegelungen genau das System, das dazu führt, dass es sich kein Mensch mehr leisten kann, eine Familie zu gründen.
Es tut weh, sich einem System beugen zu müssen, das man hasst, und ich hasse sowohl das Praktikanten-Ausbeutungssystem als auch das Hartz-4-bis-zur-Rente-System. Aber Ersteres bietet mir zumindest in fünf Jahren eine Perspektive, während mich Letzteres einfach nur abstumpfen lässt. Arbeitslos zu Hause zu hocken ist für mich keine Option. Also werde ich mich weiterhin ausbeuten lassen und von Nichts leben - so lange, bis mein Lebenslauf mindestens 20 verschiedene Praktika enthält, die mich dazu befähigen, einen ganz normalen, mittelmäßig bezahlten Job zu bekommen. Und eins schwöre ich: Das erste, was ich dann tue, ist auswandern! Damit Vater Staat für diese ganze verdammte Scheiße nicht auch noch Steuern kassiert, die sowieso nur denen zugutekommen, die sie erlassen...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da hilft nur eines wir gründen unsere eigene Partei und werden Politiker.

LG Jan

Miri hat gesagt…

Herzlichen Dank für diesen - absolut meiner Meinung entsprechenden - Artikel, Vero!

Weißt du was das Traurigste zum Thema Familie gründen ist? Das man sich heutzutage in Deutschland (natürlich aber auch in anderen Ländern) allen Ernstens primär Gedanken darüber machen muss, ob man es sich leisten kann, ein Kind zu bekommen... das ist doch krank! Schön: Mutterschutz, nach der Geburt ein Monate frei und wie zahle ich dann den Kindergarten oder die Kita, wenn ich wieder arbeiten muss, aber blöderweise so wenig verdiene, dass ich mein Kind in einer solchen nicht unterbringen kann?
Es ist nur noch traurig, wie sich hier alles entwickelt.

Da bleibt mir nur noch zu sagen: Ruck zuck wieder studieren und dann meine 2. Staatsbürgerschaft dazu nutzen hier abzuhauen..

LG
Miri

Vero hat gesagt…

Ööööhm, ja... wenn man eine zweite besitzt, ist das sicher eine nette Alternative - zumindest, wenn die zweite eine norwegische oder sowas ist! ;o)