Sonntag, 11. April 2010

Ost-West-Reflexionen

Es ist echt jedes Mal wieder faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich Ossis und Wessis noch immer über ihre "Nachbarn" denken, bzw. wie viel oder wenig sie den jeweils Anderen überhaupt wahrnehmen. Als Ossi in "Wessiland" bekomme ich das nämlich tagtäglich mit, und ich glaube, mittlerweile verstanden zu haben, wo das eigentliche Problem liegt.
Der Otto-Normal-Wessi nimmt vom Ossi eigentlich überhaupt keine Notiz (außer dieser outet sich durch einen wenig geschätzten Dialekt), weshalb der Wessi gar nicht zwischen Ost und West unterscheidet. Die Einheit hat hier gewissermaßen gedanklich stattgefunden - wenn auch nur durch konsequentes Desinteresse.
Ganz anders der Ossi: Er unterscheidet sehr wohl zwischen Ost und West. Selbst, wenn er den Wessi nicht als arroganten, großkotzigen Besserwessi bezeichnet, weil er unter Umständen mal einen sehr netten kennen gelernt hat, dann wird derjenige für ihn trotzdem immer ein Wessi und somit irgendwie anders bleiben. Die "Ignoranz" der Wessis führt außerdem dazu, dass sich der Ossi ständig dazu gezwungen fühlt hervorzuheben, wie viel besser er doch ist (gekränkter Stolz und so...), was dann wiederum bewirkt, dass sich das Unterschiedlichkeitsbewusstsein immer weiter verstärkt.
Ich finde beides schade. Warum muss denn immer einer besser und einer schlechter sein? Kann man sich nicht einfach gleichwertig fühlen? Natürlich gibt es Unterschiede, aber die gibt es nicht nur zwischen Ossis und Wessis, sondern auch zwischen Rheinländern und Fischköppen, Mecklenburgern und Sachsen. Ich finde einen Austausch dennoch wichtig, nur sollte er weder belehrend noch anprangernd sein, sondern vielmehr informativ. Viele Wessis wissen selbst nach 20 Jahren deutscher Einheit immer noch erstaunlich wenig über den DDR-Alltag. Wird dieses Thema überhaupt in der Schule behandelt? Andersrum sind viele Ossis noch immer nicht in der Lage, freiheitlich zu denken. Statt ihr Leben selbst aktiv in die Hand zu nehmen und etwas aus sich zu machen, warten sie seit 20 Jahren darauf, dass der Staat es schon richten wird. Tut er aber nicht! Der Staat sorgt weder für eine angemessene Bildung noch vergibt er Traumjobs. Er zahlt einzig und allein Hartz4 (noch jedenfalls), und notfalls tut er das ein Leben lang, wenn der entsprechende Empfänger seinen Arsch nicht hoch bekommt. Wir leben eben nicht mehr in einem Land, in dem den Menschen alles vorgeschrieben und vor allem vorgesetzt wurde. Nein, hier gilt die Regel: Wenn du etwas willst, dann musst du dich auch selbst drum kümmern.
So, genug geschimpft und analysiert. Zum Abschluss gibt's (in Sachen Ost-West-Verständigung) noch einen kleinen Beitrag zum Thema "Humor in der DDR":

3 Kommentare:

müslix hat gesagt…

"Der Otto-Normal-Wessi nimmt vom Ossi eigentlich überhaupt keine Notiz (außer dieser outet sich durch einen wenig geschätzten Dialekt), weshalb der Wessi gar nicht zwischen Ost und West unterscheidet. Die Einheit hat hier gewissermaßen gedanklich stattgefunden - wenn auch nur durch konsequentes Desinteresse."

Ich verstehe nicht ganz, warum diese Verhaltensweise falsch sein sollte. Da zunächst einmal ein relativ irrelevanter Fakt ist, wo jemand herkommt, interessiert es vordergründig auch erstmal nicht. Aus dem selben Grund interessiert sich ja auch keiner für die Grösser meiner Ohrläppchen, da es eigentlich keine Rolle spielt.

Du schreibst weiter:
"Ich finde beides schade. Warum muss denn immer einer besser und einer schlechter sein?"$

Hier verstehe ich nicht, warum aus dem Desinteresse der Westdeutschen eine Kategorisierung in besser und schlechter erfolgt. Gerade dies ist meiner Meinung nach gerade NICHT der Fall. Ich interessiere mich ja gerade nicht für die Herkunft meines Gegenübers bzgl. Ost- und Westdeutschland, weil es eben gerade eher wenig über den Menschen per se aussagt.

Vero hat gesagt…

Also meine Erfahrung sagt da aber etwas anderes: Die Herkunft sollte zwar im Sinne der Gleichberechtigung keine Rolle spielen, aber sie ist meiner Meinung nach immens wichtig, um einen Menschen zu verstehen - das Umfeld, in dem er seine Kindheit verbracht hat, in dem er "sozialisiert" wurde, hat nämlich erhebliche Auswirkungen auf das Wesen eines Menschen; und gerade deshalb finde ich es wichtig, dass ein Dialog stattfindet, aber eben nicht einer, wie ihn die Ossis führen - voller Vorwürfe und Anschuldigungen, sondern ein konstruktiver.
Was das "besser und schlechter sein" betrifft - da habe ich mich wohl ungünstig ausgedrückt, denn das war auf die Ossis bezogen. Und bei allem, was ich geschrieben habe, gilt natürlich sowieso und überhaupt: Ausnahmen bestätigen die Regel! ;o)

Anonym hat gesagt…

Also Vero ich sehe das so:

Besser man sucht die fehler der andern, dann muss man wenigstens nicht über seine eigenen nachdenken.