Sonntag, 20. März 2011

Wie wertvoll ist ein wohlgeformtes Wort?

Oder sollte ich besser fragen: Wie wirtschaftlich? Denn dass ein korrekt geschriebenes Wort oder gar ein ganzer in gutem Deutsch geschriebener Satz so viel schöner, sinnvoller und vor allem verständlicher ist als solche, die vor Fehlern nur so wimmeln, sollte doch eigentlich jedem halbwegs intelligenten Menschen klar sein, oder? Wer fehlerhafte Texte schreibt und sich dann auch noch die Blöße gibt, sie unkorrigiert zu veröffentlichen, hinterlässt bei seiner Leserschaft nicht nur (teilweises) Unverständnis, sondern auch Wut, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, nicht wichtig zu sein. Ein schlecht geschriebener Text beleidigt nicht nur dessen Inhalt, sondern vor allem dessen Leser.

In unserem schönen Nachbarstaate, den Niederlanden, fühlen sich derzeit Fans der Fernsehserie "The Pacific" (Nachfolger des preisgekrönten "Band of Brothers") beleidigt, weil Warner Bros zwar ein Heidengeld in deren Realisierung gesteckt hat ("The Pacific" soll die teuerste TV-Serie sein, die je produziert wurde), die niederländischen Untertitel der unlängst erschienenen DVD jedoch offensichtlich von einem Praktikanten mit Rechtschreibschwäche anfertigen ließ. Jedenfalls waren diese so fehlerhaft, dass Käufer im ganzen Land empört sind und ihr Geld zurück verlangen.
Ich würde mich nicht als jemanden bezeichnen, der schnell eingeschnappt oder generell nachtragend ist, aber in letzter Zeit fühle auch ich mich häufig beleidigt. Das fängt an, wenn ich die Speisekarte im Café um die Ecke lese und mich zwischen Latte Macciato, Ruccola-Salat mit Creme freche und Cornet Beff entscheiden muss. Früher wurden Speisekarten noch von einem Schriftsetzer bearbeitet, der über eine fachmännische Ausbildung verfügte, die auch die korrekte Beherrschung der deutschen Rechtschreibung und Grammatik beinhaltete. Heute kann nicht nur jeder Wirt werden, es kann auch jeder Speisekarten schreiben und drucken. Das allein wäre ja nicht schlimm - wenn jene Wirte in der Lage wären, den Duden zu benutzen. Wozu werden Fremdwörter wie Latte Macchiato, Rucola, Crème fraîche oder Corned Beef überhaupt in den Duden übernommen, wenn sich eh niemand dafür interessiert, wie sie richtig geschrieben (geschweige denn ausgesprochen) werden? Ich für meinen Teil bin jedenfalls zum ersten Mal an diesem Tag beleidigt. Die zweite Beleidigung folgt auf dem Fuße - in der U-Bahn wird für allerlei Dinge geworben, in den U-Bahn-Stationen selbst auf großen Plakaten, und überall lauern Rechtschreibfehler, Kommafehler, Tippfehler. Es scheint, als verfolgten sie mich den ganzen Tag, wohin ich auch gehe und was ich auch lese - sei es in der Zeitung, in E-Mails von Vorgesetzten, selbst in deren Signaturen, in Arbeitsverträgen, Romanen, Museen, Untertiteln von Filmen, auf Amtsvordrucken und in Webforen sowieso. Sie sind hässlich, und sie beleidigen mich.
Am beleidigendsten sind jedoch fehlerhafte Texte sogenannter Texter, d.h. Menschen, deren Beruf es ist, Texte zu schreiben. Wie kann man sich Texter nennen, wenn man nicht weiß, dass es "mit einem wohlgeformten Wort" und nicht "mit einem wohlgeformtem Wort" heißt? Wie kann man sich Texter nennen, wenn man zu stolz oder faul oder was-weiß-ich-nicht ist, um seine eigenen Texte Korrektur lesen zu lassen - und zwar von jemandem, der den Titel "Texter" verdient hat? Warum muss ich mich regelmäßig vor irgendwelchen Möchtgern-Textern, die meine Texte Korrektur lesen, dafür rechtfertigen, dass ich ein Komma richtig setze, nur weil die der Meinung sind, da gehört keins hin? Wozu gibt es verdammt noch mal den Duden und die Deutsche Grammatik? Warum wird die Word Rechtschreibhilfe konsequent ignoriert? Warum muss man keine Rechtschreibprüfung ablegen, bevor man Germanistik studiert oder sich Texter nennen darf? Warum will niemand mehr in diesem Land Geld für gutes Deutsch und gute Korrektoren ausgeben? Warum gibt es keine Rechtschreibpolizei, die Bußgeldbescheide für fehlerhafte Rechtschreibung verteilt? Die Staatskasse wäre im Nu gefüllt und ich endlich nicht mehr beleidigt.

Traurig, aber wahr: Auch die Rechtschreibkontrolle ist kein Wertgegenstand (mehr) - nicht einmal in staatlichen Museen.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oooh Vero, wer hat dir denn da so arg auf die Füße getreten?

PS: Schau mal hier "niemanbd" =)


Gruß Jan

Vero hat gesagt…

Danke für den Hinweis, Jan - ich kann mir leider (noch) keinen Lektor leisten, und die, die meine Texte korrigieren, streichen mir immer nur die korrekten Kommata und Sätze als Fehler an...

Aber davon abgesehen reagiere ich auf Tippfehler lange nicht so allergisch wie auf bewusst falsch Geschriebenes, das durch einen Blick in den Duden hätte vermieden werden können. ;o)

Anonym hat gesagt…

Du weisst doch Tippfehler sind das Salz in der Suppe, vor allen wenn dann eigentlich ein anderer Sinn bei heraus kommt =)

Aber wenn man sich so die Foren anschaut, da frage sogar ich mich was die den ganzen Tag in der Schule anstellen.

Gunnar Roß hat gesagt…

Danken möchte ich Ihnen, meine liebe Frau Vero! Danken für die Zusammenfassung eines Unbills, welches auch mir mitunter sauer aufstößt. Danke!

Ihr Gunnar Roß