Samstag, 29. August 2009

Befremdliche Berliner Begegnungen

Drei Wochen habe ich das Hauptstadtleben nun genossen, aber auch in seiner Eigenartigkeit erlebt. Drei Begegnungen sind mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben.

Begegnung der ersten Art:
Gleich an meinem ersten Arbeitstag überquere ich an einer Stelle, an der der Fußweg aufgrund einer Baustelle gesperrt ist, die Straße, laufe das kurze Stück jedoch auf der Fahrbahn und nicht auf dem gegenüberliegenden Fußweg, weil man diesen durch die sehr eng parkenden Autos nur schwer erreicht und ich eh gleich wieder auf die Straßenseite wechseln muss, auf der mir die Baustelle den Weg versperrt. Ich bin fast vorbei, da hält ein Polizeiauto neben mir, und ein älterer Herr in Uniform, der um meine Sicherheit als Fußgänger besorgt ist, fragt mich, warum ich nicht den Bürgersteig benutze. Ich muss lachen und sage, dass auf dem Bürgersteig gebaut wird, doch er verweist auf den gegenüberliegenden Bürgersteig. Dass ich den durch die eng parkenden Autos nicht erreiche, tut er mit einem "Na hören Sie mal, Sie sind doch rank und schlank!" ab, und mein "Ich will aber eh gleich wieder auf die andere Seite wechseln" ist wohl auch kein ausreichendes Argument. Am liebsten möchte ich ihm einen Vogel zeigen, doch stattdessen quetsche ich mich grummelnd zwischen den parkenden Autos durch, gehe noch zwei Meter auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig und quetsche mich dann wieder durch die parkenden Autos, um zurück auf die andere Seite zu gelangen, und sinniere dabei, ob es in Berlin für einen Polizisten nicht wichtigere Aufgaben gibt, als junge Frauen auf dem Weg zur Arbeit zu nerven.

Begegnung der zweiten Art:
In Woche 2 sitze ich ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt bei meinem Lieblingsitaliener, der eigentlich gar kein Italiener ist, und esse meine Lieblingspizza mit Blick auf die Schönhauser Allee. Ab und zu fährt jemand mit dem Rad vorbei - so auch ein unscheinbarer Typ Mitte bis Ende 30, nur mit dem Unterschied, dass dieser plötzlich bremst, umdreht und wieder zurückfährt, direkt vor meinem Tisch hält, seine Kamera herausholt und mich fragt, ob er ein Foto von mir machen darf. Er sei immer auf der Suche nach schönen Momentaufnahmen des Berliner Alltags. "Von mir aus gerne!", erwidere ich kauend. Er positioniert sich so, dass er das "Pizza Time"-Leuchtschild im Hintergrund auch noch mit drauf hat und bittet mich, meinen Blick ganz unbeteiligt in die Ferne schweifen zu lassen, drückt ab und bedankt sich. Er erzählt mir, dass er das Foto noch heute Abend in seinem eigenen Badezimmer entwickelt, welches er offensichtlich zu einem Fotolabor umgebaut hat, und das erinnert mich irgendwie total an meine Kindheit. Fotos selber entwickeln - das waren noch Zeiten! Die Vorfreude auf das Ergebnis, die große Frage, ob die Bilder scharf sind, ob man gut getroffen ist... so viel Spannung, die einem die modernen Digitalkameras genommen haben. Schade eigentlich, aber dennoch so viel praktischer... ;o)

Begegnung der dritten Art:
Ich habe jetzt drei Wochen lang absolute Anfänger an einer Sprachschule unterrichtet, die nach dem "Full immersion"-Prinzip verfährt, d.h. in der Klasse wird von Anfang an nur Deutsch gesprochen. (Könnt ihr euch mein Gesicht vorstellen, als ich das zum ersten Mal hörte - Full immersion = Nur Deutsch sprechen!?) Nun ja, man kann sich ja vorstellen, dass es schwer ist, in einem Anfängerkurs nur Deutsch zu sprechen, aber es geht, und es wird an dieser Schule so praktiziert. Über den Sinn lässt sich sicherlich streiten, zumindest in Anfängerkursen. Ich habe mich - das gebe ich ehrlich zu - in der ersten Woche nicht daran gehalten und ein paar Dinge auf Englisch erklärt, da meine Kursteilnehmer alle Englisch verstanden haben und man eben nicht alles mit Bildern und tabellarischen Übersichten erklären kann. Von vielen Teilnehmern habe ich dafür jedoch positive Reaktionen erhalten. Zwei haben sogar noch eine Zusatzwoche gebucht, weil sie in meinem Unterricht (im Gegensatz zu dem der anderen Lehrer) viel mehr verstanden haben. In meinem Nachmittagsintensivkurs, in dem ich nur ein amerikanisches Pärchen hatte, habe ich ebenfalls ein paar Dinge auf Englisch erklärt, und zwar nur, weil die beiden bei ihren Vormittagskurslehrern viele Dinge nicht verstanden hatten, die diese nur auf Deutsch erklärt hatten. Nun saßen wir während des Intensivkurses wegen der enormen Hitze meistens im Innenhof der Sprachschule, wo sich zu diesem Zeitpunkt aber noch andere Schüler und Lehrer aufhielten; und offensichtlich bekam eine der Lehrerinnen mit, dass ich mit meinen Schülern Englisch sprach. Doch statt nach der Stunde zu mir zu kommen und mich persönlich darauf hinzuweisen, dass an dieser Schule kein Englisch im Unterricht gesprochen werden soll (woraufhin ich ihr hätte erklären können, dass mich die beiden explizit darum gebeten hatten), ging sie lieber gleich zu Chefin und "verpfiff" mich. Ich weiß nicht, ob ich an dieser Stelle vielleicht zu empfindlich bin, aber Leute, die zu feige sind, einem ins Gesicht zu sagen, was man ihrer Meinung nach falsch gemacht hat, die über einen urteilen, ohne einem die Möglichkeit zu geben, sich zu erklären, und die immer gleich alles nach oben petzen, nur um im Endeffekt selbst besser da zu stehen, sind mir zutiefst zuwider! Dies ist auch einer der Gründe, warum ich meine Arbeit in Berlin vorzeitig beendet habe. Zum einen stehe ich einfach nicht voll hinter dem Konzept der Schule, zum anderen ist es deprimierend, wenn man den "Oberen" trotz all des positiven Feedbacks, das man von den Schülern erhalten hat (und zwar vor allem dafür, dass man im Unterricht NICHT nur Deutsch geredet hat), und trotz der (auch finanziell) positiven Resonanz in Form von Kursverlängerungen am Ende doch eher in negativer Erinnerung bleibt.

Immerhin hatte ich in meinen drei Wochen Berlin auch viele Begegnungen der netten Art: So habe ich viele meiner Schüler wirklich ins Herz geschlossen und muss zugeben, dass ich sie ein bisschen vermisse, genauso wie meine Co-Lehrer der ersten zwei Wochen Anne-Kathrin und Gülden, sowie natürlich auch meine Mitbewohner Joana und Michael (- keiner bäckt sooooo gut!), und nicht zu vergessen meine "alteingesessenen" treuen Gefährten Alex, Henrik, Mairim, mein Bruderherz, Katrin und Stephan, die mir die Tage in der Hauptstadt doch noch sehr versüßt haben.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oh jeh! Ich stelle mir gerade vor du kommst in den Unterricht sprichst nur Niederländisch mit uns und zeigst zur Erklärung ein paar Bilder mit Entchen und Hunden....
Vero ich glaube wir hätten dich in Schwerin aus dem Fenster geworfen und ich währe der einzigste gewesen der dich annähernd verstanden hätte. :-))
...aber du warst ja (fast) immer Lieb zu uns.
Und mit dem Fotografen da kanst du dich echt glücklich schätzen einen Dinosaurier gefunden zu haben (ach ne er dich) hehe. Könnte ich auch gewesen sein.
Was machst du jetzt?

LG Jan

Vero hat gesagt…

Na was wohl... ich bin (mal wieder) arbeitssuchend! =(

Und selbst?

Übrigens sehr nett, mich aus dem dritten Stock werfen zu wollen. Thomas hätte das aber bestimmt verhindert, indem er die Jalousien runtergezogen hätte! ;o)